Frage: Wagen wir vorab einen Blick über die unmittelbare Zukunft hinaus. Wie stellen Sie sich die «digitalisierte» Bildung vor?

Beat Jörg: Nun – diese Frage treibt wohl uns alle um, sei es in der Bildungspolitik, in Forschung und Wissenschaft, vor allem aber auch in der Wirtschaft und Arbeitswelt. Wenn ich in eine Kristallkugel blicken könnte, sähe ich neben Bekanntem sicher viel Ungewohntes: Bildung wird ortsunabhängiger werden, obwohl es weiterhin Schulzimmer geben wird. Die Akteure in der Bildung werden durch rasant wachsende Vernetzung viel stärker und vermehrt in Echtzeit zusammenarbeiten als heute. Bildung wird zu einer noch viel gewichtigeren Währung werden als heute – und die digitalisierte Bildung wird damit mehr denn je zur wichtigsten Kapitalgrundlage werden. Ich glaube, dass die Bildung der Zukunft zwar nach wie vor auch auf herkömmlichen, quasi analogen Pfaden des Lehrens und Lernens erlangt werden wird. Daneben allerdings werden ungleich stärker als heute auch non-formale und informelle Bildungspfade genutzt werden. Die Herausforderung wird unter anderem sein, diesen sozusagen vierdimensionalen Bildungsraum der Zukunft bildungspolitisch mitgestalten zu können.

Ein aktuelles Thema ist der Zugang zu digitalen Diensten. Hier kommt Edulog ins Spiel. Was überzeugt Sie an diesem Projekt?

Mich überzeugt in erster Linie das Anliegen eines vereinfachten und einheitlichen Zugangs zu digitalen Ressourcen für die Bildung. Ich stelle mir den Zugang zu digitalen Bildungsangeboten als Türen zu spezifischen Ressourcen vor. Es gibt schon heute unzählige solcher Türen. Die jungen Menschen begeben sich nun also auf ihren Bildungspfaden in diese digitale Welt, ausgerüstet mit einem grossen Schlüsselbund. Denn die meisten dieser Türen zu den digitalen Bildungsangeboten sind prinzipiell geschlossen und lassen sich nur mit dem passenden Schlüssel, also den korrekten und legitimen Zugangsdaten, öffnen. Das Problem dabei ist indes, dass der grosse Schlüsselbund mit der Zeit zusehends dicker und schwerer wird. Und das ist unangenehm, weil nur schon das Finden des passenden Schlüssels zur jeweiligen Türe manchmal zum Rätselraten wird. Da sehe ich nun Edulog als eigentlichen Türöffner: die föderierte digitale Identität wirkt schliesslich wie ein Passepartout, der den jüngeren und älteren Lernenden das Leben deutlich erleichtern dürfte im Umgang mit digitalen Bildungsressourcen.

Die Kantone BL, BS, FR, GL und VS werden sich als erste mit Volksschule und Sekundarstufe II an Edulog beteiligen. Was erwarten Sie von den «Pionererfahrungen»? Worauf werden Sie besonders achten?

Ich denke, dass vorderhand natürlich jede Art von Erfahrungsberichten aus der ersten Beitrittswelle äusserst wichtig ist für die nachfolgenden Beitritte. Das gegenseitige Lernen der Pionierkantone wird allenfalls ein entscheidender Faktor dafür sein, wie die Abläufe und Zuständigkeiten laufend optimiert werden können. Dabei ist wohl die Kommunikation seitens der Dienstanbieter, der Identitätsanbieter sowie der zuständigen Stellen gegenüber den Endbenutzern entscheidend. Da erhoffe ich mir seitens Edulog, dass der konstruktive Austausch sorgfältig orchestriert wird. Denn die Praktikabilität dieses Vorhabens dürfte sich an der Benutzerfreundlichkeit messen lassen – anhaltende Zugangsprobleme und der Umgang damit werden ausschlaggebend sein einerseits für die Einführungsphase in den Pionierkantonen und anderseits werden die «lessons learned» daraus massgebliche Hilfestellungen bieten für die nachfolgenden Beitrittswellen.

Mit welchen konkreten Schritten bereiten sich nun die Ämter der Bildungs- und Kulturdirektion sowie die Urner Schulen auf Edulog vor? Mit welchem Zeithorizont?

Ich bin überzeugt davon, dass der Kanton Uri aufgrund seiner Kleinräumigkeit, der überschaubaren Strukturen in Verwaltung, Gemeinden und Schulen sowie durch seine Entfernung zu den ökonomischen und gesellschaftlichen Zentren der Schweiz eben gerade einen gewissen Standortvorteil geniesst. Konkret bedeutet dies, dass die nötigen Abklärungen und Vorarbeiten aus rechtlicher, organisatorischer und technischer Sicht meines Erachtens einen eher geringfügigeren Aufwand erfordern als bei grossen Kantonen mit Ballungszentren. Dazu kommt, dass Uri ein grosses Interesse daran hat, sein gutes Schulsystem möglichst rasch von zeitgemässen digitalen Ressourcen profitieren zu lassen. Damit legen wir bewusst einen Fokus darauf, die Anbindung an Edulog zeitnah voranzutreiben. Als Zeithorizont nehmen wir uns aktuell vor, einen Beitritt des Kantons mit Beginn des Schuljahrs 2021/2022 anzustreben. Zu diesem Zweck laufen im Rahmen einer Gesetzesrevision die nötigen rechtlichen Abklärungen und es findet der Austausch mit unserem potenziellen Identitätsanbieter auf der technischen Seite statt. Mit zunehmender Konkretisierung müssen wir schliesslich abklären, welche organisatorischen Anforderungen innerhalb der Bildungsdirektion bewältigt werden müssen.

Und schliesslich haben auch Sie Anrecht auf einen Wunsch an die Edulog-Fee: Was möchten Sie ihr anvertrauen?

An die Edulog-Fee habe ich vorrangig den Wunsch, dass sie ihre Zauberkräfte im Rahmen des Aufbaus der Föderation sehr gezielt hinsichtlich der Gelingensbedingungen des Vorhabens einsetzt: Transparente, zeitnahe und vernetzte Kommunikation, sowie ein konzises Vorgehen in der Problembewältigung – namentlich in der Pilotphase – scheinen mir die zwei wichtigsten Punkte. Und daneben wünsche ich mir selbstverständlich, dass damit die erwünschte Wirkung möglichst bald spür- und sichtbar wird: nämlich dass in den Schulen der Zugang zu den digitalen Ressourcen wesentlich vereinfacht wird und dadurch der Unterricht aus den neuartigen Möglichkeiten der Digitalisierung seinen angestrebten Nutzen ziehen kann – wir wollen schliesslich alle den Kompetenzerwerb der Kinder und Jugendlichen effizient optimieren. Nämlich so, dass sie auf die Folgen der digitalen Transformation in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt gut vorbereitet sind. Mehr noch: Dass sie die digitale Transformation aktiv mitgestalten können!